Quelle: Zavamed – Die aktuelle Corona-Pandemie bedeutet für viele Branchen und Berufsfelder in Deutschland und Europa einen durchaus kräftigen Digitalisierungsschub. Das Gesundheitswesen macht da keine Ausnahme. So werden etwa Anwendungen wie die Videosprechstunde zwischen Arzt und Patient – die zwar schon länger verfügbar waren, aber sich noch nicht richtig in der Versorgung durchsetzen konnten – vermehrt genutzt. Viele Ärzte zeigen zudem großes Interesse, Technologien dieser Art auch zukünftig einzusetzen.

Doch wie steht es neben diesen eigenen Beobachtungen um den Grad der Digitalisierung in Europa bzw. speziell in Deutschland? Ein neuer Report von Zava zeigt, welche Chancen telemedizinische Anwendungen bieten und wie der derzeitige Status ist bzw. wie IT-gestützte Gesundheitsservices wahrgenommen werden. Die wichtigsten Ergebnisse sind nachfolgend aufgeführt.

Überblick zu telemedizinischen Anwendungen

Telemedizinische Services werden von den Bürgern in Europa zunehmend als wichtiges Instrument der Gesundheitsversorgung angesehen und stoßen auf zunehmende Akzeptanz. So würden etwa vier von fünf EU-Bürgern einer gemeinsamen Nutzung von Gesundheitsdaten zustimmen. Vor allem aber auch Videosprechstunden werdej als ein sinnvolles Instrument angesehen. Die Auswertung von Suchanfragen bei Google macht deutlich, dass das Interesse deutlich gestiegen ist und Bürger insbesondere im März und im April Begriffe wie Videosprechstunde oder Telemedizin in die Suchmaschine eingegeben haben.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) schätzt, dass derzeit in Deutschland rund 25.000 Arztpraxen die Videosprechstunden nutzen, also etwa ein Viertel aller (kassenärztlichen) Arztpraxen. Das ist ein Anstieg von rund 1.370 Prozent – im Februar 2020 haben nach KBV-Angaben nur 1.7000 Praxen Videosprechstunden angeboten.

In der Telemedizin-Übersicht können Sie konkret nachlesen, wie sich Suchverhalten und Nachfrage bei Bürgern und Ärzten seit Beginn der Pandemie im Februar verändert haben.

eHealth-Entwicklungen in Europa

Die einzelnen EU-Staaten verfolgen durchaus unterschiedliche Wege und mehr oder weniger intensive Anstrenungen, um ihre Gesundheitssysteme digitaler zu gestalten. Baltische Staaten wie Estland oder skandinavische Länder haben bereits vor vielen Jahren damit begonnen, ihren Gesundheitssektor digital umzugestalen und die Infrastruktur zu modernisieren – auch bedingt natürlich durch landesspezifische Besonderheiten und geographische Notwendigkeiten (z.B. dünn besiedelte Landstriche mit langen Anfahrtswegen zu Gesundheitseinrichtungen). Der Digitalisierungsgrad eines nationalen Gesundheitswesens wird durch den sog. Digital Health Index gemessen. Dabei liegt Deutschland mit einem Index von 30 ein ganzes Stück hinter Estland, welches einen Index von 82 Punkten aufweist. In den Index fließen Aspekte wie die Schaffung gesetzlicher Grundlagen oder die Implementierung einer digitalen Infrastrktur mit ein. Deutschland weist jedoch auch gleichzeitig ein hohes Datenschutzniveau auf. Ein interaktives Tool bietet die Möglichkeit, 14 europäische Länder miteinander zu vergleichen.

Technologie

Die technologischen Entwicklungen der letzten Jahre waren durchaus rasant. Allein im Bereich der mobilen Anwendungen etwa stehen in den App-Stores über 300.000 Apps zum Downlaod aus dem Gesundheitsbereich zur Verfügung. Der Umsatz beträgt weltweit mittlerweile über 40 Milliarden Euro, wenngleich auch jeweils recht unterschiedlich auf die einzelnen Anwendungen verteilt. Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom nutzen derzeit rund 65 Prozent der Bürger in Deutschland Gesundheits-Apps, insbesondere um sich zu informieren oder Gesundheitsdaten zu tracken.

Im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) hat es ebenso viele Fortschritte gegeben, die natürlich Fragen aufwerfern, die über die reine Technik hinausgehen. Nach den Ergebnissen des Reports können sich über zwei Drittel der Ärzte, nämlich 64 Prozent, vorstellen, KI bei administrativen Routineaufgaben zu nutzen. Wenn es um Diagnostik geht, zeigen sich die Verantwortlichen jedoch noch zurückhaltender. Wenngleich viele Studien bereits unter Beweis gestellt haben, dass KI-basierte Diagnostik-Tests etwa zum Screening auf Lungenkrebs teils radiologisch tätigen Ärzten überlegen sind, so herrscht doch eine gewisse Skepsis, etwa in Hinblick auf Algorithmen, Vergleichbarkeit und ethische Fragestellungen. Experten fordern daher, einheitliche und transparente Studiendesigns für künftige KI-Forschung zu verwenden und Ärzte und Patienten über Chancen, aber auch Grenzen aufzuklären. Immerhin fast 57 Prozent der Deutschen stimmen jedoch zu, KI für Zweitmeinungen bei ärztlichen Diagnosen zu nutzen.

Berufe und Fähigkeiten

Die zunehmende Verfügbarkeit digitaler Anwendungen und die rasche technologische Entwicklung setzen natürlich voraus, dass Ärzte und andere Gesundheitsfachberufe adäquat mit diesen Techniken umgehen können und Bürger über eine ausreichende digitale Gesundheitskompetenz verfügen. Daher erfordert ein sinnvoller Einsatz digitaler Gesundheitstechnologien ein regelmäßiges Training im professionellen Bereich, ausreichende Information über die Wirkungsweise und kontinuierliche Supportmöglichkeiten. Alleine das Berufsbild des Arztes wird sich in Zukunft je nach Fachbereich mehr oder weniger stark verändern und es werden vermehrt „Online-Ärzte“ agieren. Dies gilt z.B. für den psychotherapeutischen Bereich, wo digitale Sprechstunden eine bessere Erreichbarkeit auch in unterversorgten Regionen mit sich bringen können. Denkbar ist auch, dass ganz neue Berufsbilder im Gesundheitswesen entstehen, so etwa die „Fachkraft für digitale Gesundheit“, die für jeden Patienten einen individuellen analogen und digitalen Behandlungsplan erstellt bzw. koordiniert.

Lesen Sie hier den ganzen Report inklusive aller Graphiken und Statistiken.

Bildquelle

  • Person mit Smartwatch sitzt am Computer: Austin Distel, unsplash.com