Quelle: Ärzteblatt.de – Technikgestützte Assistenzsysteme und digitale Technologien – auch bekannt unter dem Stichwort Ambienst Assisted Living (AAL) – können dazu beitragen, dass ältere und/oder pflegebedürftige Menschen länger ihre Selbständigkeit erhalten und auch länger in den eigenen vier Wänden bleiben können. Beispiele für solche Systeme sind etwa sensorbasierte Sturzerkennungssysteme, Geräte mit Sprachsteuerung zum Ab- und Anschalten von Haushaltsgeräten, App-basierte Erinnerungsinstrumente für Medikamente sowie Nahrungs- und Getränkeaufnahme etc. Neben diesen Angeboten, die sich eher an Personen in der eigenen Häuslichkeit richten, gibt es auch Anwendungen, die eher für den Einsatz in professionellen und stationären Settings vorgesehen sind. Dazu zählen letztlich auch Robotersysteme, die etwa bei Transport- oder Hebevorgängen helfen oder die kognitive Leistungsfähigkeit und das psychische Wohlbefinden der Bewohner und Gäste stärken sollen, so etwa die Roboter-Robbe Paro.

Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Bedarfs an pflegerischen Ressourcen und gleichzeitig einer steigenden Zahl von Pflegebedürftigen stellen sich Wissenschaftler und Praktiker zunehmend die Frage, ob es auch einen gezielten Einsatz solcher Systeme in der Pflege geben sollte und wie dieser aussehen kann. Denn potenziell können solche digitalen Assistenzsysteme einen Beitrag dazu leisten, Pflegekräfte zu entlasten und gleichzeitig die Qualität der Versorgung sicherzustellen bzw. zu optimieren.

Auf einer Veranstaltung der Grünen Bundestagsfraktion vergangene Woche in Berlin wurde diskutiert, wie ein solcher nutzenstiftender Einsatz aussehen kann. Prof. Andreas Kruse vom Institut für Gerontologie an der Universität Heidelberg betonte den hohen Wert von definierten und transparenten Standards in diesem Bereich: „Wie weit soll Technologie die Pflege unterstützen? Gibt es dort irgendwo eine Grenze?“. Er machte jedoch auch auf die Chancen aufmerksam: „Digitalisierung kann Pflege in ihren fachlichen und ethischen Standards in besonderer Weise fördern“. Prof. Kruse betonte, dass digitale Technologien bzw. Robotertechnologien eher nicht geeignet seien, zentrale Aufgaben der Pflege zu leisten. Gleichzeitig sei ein sinnvoller Einsatz im Pflegesystem ein Austarieren von verschiedenen Einstellungen und Szenarien in Hinblick auf Selbstbestimmung, Privatsphäre, Patientenwohl, Achtung der sozialen Bedürfnisse und den finanziellen und technischen Rahmenbedingungen vor Ort. Der Wert einer Technologie bemesse sich stets daran, inwiefern der verletztlichste Mensch davon profitieren können und inwiefern wirklich alle an der technischen Entwicklung partizipieren könnten.

Kostenerstattung technischer Assistenzsysteme

Kruse, der auch der deutschen Altenberichtskommission vorsteht, verwies auch darauf, dass die Einführung solcher Assistenzsysteme nicht nur eine rechtliche und technische Sache sei, vielmehr spielten die sozialen Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle. Soziale Ungleichheit müsse bei der Einführung und Weiterentwicklung solcher Systeme vermieden werden. Daher spiele die Frage, wie solche Systeme zu finanzieren seien, eine wichtige Rolle, um eine Exklusion bestimmter Bevölkerungsgruppen zu vermeiden.

Bereits im November 2019 hatte ein vom Verbraucherzentrale Bundesverband beauftragtes und von Dierks & Company erstelltes Rechtsgutachten einen Erstattungsanspruch für digitale vorgeschlagen, wenn der Nutzen entsprechender Geräte und Systeme belegt sei. Das Gutachten stellt dar, dass solche AAL-Produkte ebenso die gleichen Versorgungsziele wie andere konventionelle Pflegehilfsmittel erfüllten könnten und daher auch erstattungsfähig sein sollten. So könne für digitale Pflegehelfer ein Mittelanspruch nach §40 SGB XI geschaffen werden, der neben einer gesetzlichen Definition von AAL auch den Nachweis eines tatsächlichen Nutzens für Pflegekräfte bzw. Pflegebedürfte vorsieht. So komme der Gesetzgeber auch seiner Pflicht nach, eine selbstständigere Lebensführung Pflegebedürftiger gemäß § 2 SGB XI zu fördern.

Lesen Sie hier den ganzen Beitrag. Das vollständige Rechtsgutachten können Sie sich unter diesem Link ansehen.

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  • Mann mit Rollator: moritz320, pixabay.com